Irrlicht

IrrIichter

(von August Freudenthal)

 

Es schreitet der Wanderer zur Nacht übers Moor,

da hört er es leise rauschen im Rohr.

Und leise verhallender Geistergesang

erfüllt ihm die Seele mit wonnigem Drang.

 

Da taucht aus dem Röhricht ein Wesen so schön,

so licht wie ein Traumbild aus himmlischen Höh’n.

Ein goldener Gürtel umschließt das Gewand,

ein Goldreif blitzt in der schneeigen Hand.

 

Nie schaut sein Auge so hehre Gestalt;

Die Sehnsucht ergreift ihn mit wilder Gewalt.

Er hascht nach der Holden, doch kaum erreicht,

sie lächelnd dem Arm des Verfolgers entweicht.

 

So geht es rastlos wohl übers Moor;

Rings kichert und flüstert und höhnt es im Rohr.

Ihm wallen die Pulse, ihm glüht das Gesicht,

und dennoch erreicht er die Fliehende nicht.

 

Da endlich hat sie sich umgewandt.

Sie lächelt und winkt ihm mit schneeiger Hand.

Und höher schwillt in des Wanderers Brust

der glühenden Sehnsucht verzehrende Lust.


Da strauchelt sein Fuß; er wankt – er fällt-

Ein schauriges Lachen ins Ohr ihm gellt.

Es schwindet das Trugbild, dem er vertraut-

Ohnmächtig sinkt er ins Heidekraut.

 

Die Sonne verscheuchte die Schatten der Nacht.

Mit fiebrigem Hirn ist der Wanderer erwacht;

Er schaut die Gefahr , in der er geschwebt,

und dankbar den Blick zum Himmel erhebt. 

 

 

Denn vor ihm auf schwellendem Rasengrün

in üppiger Fülle die Blumen blühn.

Doch unter der gleißenden Decke droht

dem arglosen Fremdling Verderben und Tod.

 

Ein Schritt noch weiter, so wär’s geschehn.

Er hätte die Heimat nicht wieder gesehn;

Und strauchelte nicht sein Fuß in der Nacht:

Ihm hätte wohl nimmer die Sonne gelacht.

 

 

 

Der Teufel im Moor

(veröffentlicht im Kriegsblindenbuch 1999 und 2012)

 

In der Erinnerung eines Kriegsblinden gibt es immer Ereignisse aus seiner Jugendzeit, als er noch sehend durch Feld und Wald streifen konnte.

Auszug:

„ Ich war wohl 16 oder 17 Jahre alt und hatte mit einigen Schulkameraden Freundschaft geschlossen. Wenn es meine Zeit erlaubte, so besuchte ich den einen oder anderen schon mal. So war ich an einem wunderschönen Herbstabend unterwegs nach Labus, einem kleinen Bauerndorf am Jamunder See.

Der Weg auf der Straße war recht weit dorthin, aber es gab einen Richtweg durch das Moor, der mir gut bekannt war.

Da es lange nicht geregnet hatte benutzte ich natürlich diesen Weg. Der Abend war schön, endlich musste ich den Weg nach Hause antreten. Der Mond schien hell. Zunächst führte der Weg über freies Feld; dann kam ein Erlenbruch und dahinter musste eine größere Wiesenfläche auftauchen.

Doch was war das? Auf den Wiesen lag der Herbstnebel wohl eineinhalb Meter hoch. Wie ein Wattenmeer wallten die vom Mondlicht beschienenen Nebelschwaden.

Hier und da ragte ein alter Weidenbusch hervor.

 

Ganz still blieb ich stehen und ließ das märchenhafte Bild auf mich wirken. In dem nahen Schilf rief ein Nachtvogel und von fern war das Muhen eines Rindes auf der Weide zu hören. Diese wenigen Geräusche machten die Stille noch vollkommener.

 

Schließlich musste ich weiter. Als ich mich rührte, was nicht ohne Geräusche abging, tauchten aus dem Nebel ganz langsam 2 dünne Stangen auf und es folgte ein schwarzer Kopf, der sich mir gemächlich zuwandte.

Was war das? Als ich stehen blieb und mich nicht rührte, sackte der Kopf wieder langsam in den Nebel zurück.

 

Beim nächsten Geräusch das gleiche Spiel. So trieben wir es einige Male. Langsames Auftauchen der Hörner und des Kopfes und wieder Absinken.

Bei diesem Tun verging die Zeit und ich gab mir einen Ruck und lief los. Im gleichen Augenblick sprang an der Stelle, an der ich den Kopf gesehen hatte, ein Rehbock ab.

In langen Sätzen flog er dahin. Bei jedem Sprung tauchten Kopf und Rücken aus dem Nebelmeer auf. Mit dumpfem Dröhnen schlugen die Läufe des Rehbocks auf den Moorboden, sodass es sich unheimlich anhörte.

 

Eine ängstliche Natur hätte wohl einen fürchterlichen Schrecken bekommen und mit etwas Phantasie aus dem Rehbock einen Teufel gemacht, der mit dumpfem Hufschlag und einem langen Schweif sowie dem gehörnten Kopf über das Moor gejagt sei.

 

Geht so eine Erzählung dann von Mund zu Mund, und jeder macht etwas mehr drum herum, dann können Geschichten entstehen, wie ich sie als Kind gehört habe.“